Deutschland nimmt im europäischen Vergleich von digitalem Lernen (mal wieder) einen mittleren Platz ein. Und das, obwohl Bundesweit eine Medienoffensive gestartet wurde, bei der richtig Geld in die Hand genommen wurde: 5 Mrd. Euro (vgl. Füller 2016a).
Worin liegt nun die Problematik der Lerndigitalisierung, obwohl eine große Bereitschaft von der Regierung besteht? Es gibt viele vielschichtigen Gründe dafür, warum Deutschland so ist, wie es ist. Wenigstens in Bezug auf digitalem Lernen. Im Anschluss sollen Gründe genannt werden. Am Ende des Artikels wird ein kleiner Ausblick gegeben, wie es in D. weiter mit digitaler Bildung gehen kann.
Äußeres Setting:
- Die finnischen Schulleiter sind autark in der Anschaffung und den Entscheidungen die IT betreffend. Kein Schulträger fragt hier nach oder besorgt gar selbst die IT-Infrastruktur (vgl. Füller 2016a). Die deutschen Kollegen sind eher Bettler vor den Schulträgern in puncto IT-Entscheidungen.
- In Norwegen gibt es eine norwegenweite Lehrercloud, die Lehrern ermöglicht in ihr Unterricht vorzubereiten und mit ihrer Hilfe die Schülerinnen und Schüler zu informieren. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten zusätzlich zum Unterricht Lernstoff innerhalb und außerhalb der Schule in dieser Cloud (vgl. Füller 2016a). In Deutschland gibt es viele Lern-Cloud-Anbieter (z.B. lo-net 2), die dezentralisiert von ein paar Schulbuchverlagen verwaltet und gewartet werden, jedoch in der Schule keine Anwendung finden. Eine zentrale Cloud, die auch verpflichtend eingeführt werden kann, wird im Moment noch entwickelt (zumindest in Baden-Württemberg).
Intrinsische Motivation:
- 6 von 10 Lehrern fühlen sich nicht kompetent genug, digitale Medien und Computer im Unterricht einzusetzen (vgl. lov 2016 und Stecher 2016).
- Viele Lehrer müssen sich um die Wartung der eingesetzten Computer für den Unterricht selbst kümmern (vgl. lov 2016).
- 2 % der Lehrer waren schon einmal Opfer einer Cybermobbing-Attacke (vgl. Himmelrath 2016). Solche Erfahrungen schrecken natürlich von der Anwendung von IT-Lösungen im Unterricht ab.
Dass Deutschlands digitale Bildung so schlecht da steht, ist schade. Denn digitale Bildung verfügt über ein großes Potenzial für guten Unterricht:
Digitale Bildung …
- fördert die Inclusion: Autisten und Kinder mit Trisomie 21 haben einen besseren Zugang zum Lernstoff über digitale Inhalte (vgl. Füller 2016b).
- macht Unterricht interessanter: Die Schülerinnen und Schüler bekommen mit der Einbindung von Ihren Devices (eigener Laptop, Smartphone oder Tablet) einen großen Motivationsschub (vgl. Füller 2016b).
- verpflichtet: Bearbeiten die Schülerinnen und Schüler öffentlich gemeinsam im sog. Social Learning, so fühlen sie sich ernst genommen und es entsteht eine Art Team-Druck (vgl. Füller 2016b)
- macht öde Abfragerei zu einem Vergnügen: Abfragen zur Wiederholung oder zur Lernzielkontrolle gestalten sich mit den richtigen Applikationen (z.B. eClicker) und einem Klassen-WLAN als motivierend. Für die Verwendung von eClicker im Unterricht wird auf diesem Portal in Kürze ein Artikel lesbar sein.
- hilft gegen innere Einstellungen gegenüber dem Arbeitsmaterial: Bücher werden zu Hause nicht mehr vergessen, da Sie direkt auf Smartphone oder Tablet verfügbar sind (vgl. Füller 2016a). Smartphone und Tablet gelten als Prestige und werden immer gerne gezeigt. Somit hat jeder Schüler und jede Schülerin sein Arbeitsmaterial digital immer dabei.
Natürlich birgt die Arbeit mit digitalen Medien auch Risiken: Der Samsung-Staat Korea hat landesweit 140 Internet- und Videogame-Suchtzentren eingerichtet (vgl. Füller 2016a). Internet- und Spielesucht gibt es jedoch schon jetzt ohne die Anwendung von Smartphones oder Tablets in der Schule. Das Beweisen die vielen Präventionsveranstaltungen in den Städten (z.B. Medienkompetenz-Projekt der Bürgerstiftung Baden-Baden, nationale Aufklärungsarbeit von US-Schulen über Facebook und Co).
Ausblick und Verbesserung
Wo muss man nun ansetzen, um das digitale Lern-Off aufzufangen?
- Die Professionalisierung der Lehrkräfte sind das A und O für die Verbesserung der Situation. Diese Professionalisierung muss schon bei der Ausbildung der Referendare anfangen. Ein gutes Beispiel zeigt das Seminar Karlsruhe.
- Nicht nur das Land sollte Geld in die Hand nehmen. Die Schulträger sollten nach dem finnischen Modell agieren und den Schulleitern mehr Freiheit in der Multimediagestaltung der Schule lassen.
- Die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer muss sich in Richtung Lernbegleitung ändern: Als Lehrer muss ich auch mal das Zepter aus der Hand legen können, um die Schüler mal machen zu lassen. Somit lerne ich als Lehrkraft auch noch was dazu und werde als schülernäher empfunden.
Downloads:
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Quellen und Literatur
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Füller, C. (2016a)."Zu oft Offline". Digitales Lernern in Deutschland. Spiegel Online http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/digitales-lernen-in-deutschland-zu-oft-offline-a-1116411.html. abgerufen: 16.11.2016
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Füller, C. (2016b)."Um sieben Uhr die erste Schülermail". Tablets im Unterricht. Spiegel Online http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/tablets-im-unterricht-digitales-lernen-motiviert-schueler-a-1050687.html. abgerufen: 16.11.2016
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Himmelrath, A. (2016)."Jeder vierter Lehrer wurde schon attackiert." Gewalt in der Schule. Spiegel Online http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/gewalt-in-der-schule-wenn-schueler-lehrer-angreifen-a-1121150.html. abgerufen: 16.11.2016
- Kuntze, M (2017). „Blended Learning - Eine Einführung für den Einsatz im Schulunterricht“. Norderstedt: Books on Demand. ISBN 978-3-744-8412-45
- Kuntze, M. (2018) „BYOD". Erste Erfahrungen im Schulunterricht der Sekundarstufe I und II. Nordstedt: BoD - Books on Demand. ISBN 978-3-746-0494-10
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lov (2016)."Lehrer nutzen Computer zu selten". Studie zu digitale Bildung. Spiegel Online http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/studie-zu-digitaler-bildung-lehrer-nutzen-computer-zu-selten-a-1121397.html. abgerufen: 16.11.2016
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Stecher, B. (2016)."Sonderstudie Schule digital". Lehrwelt, Lernwelt, Lebenswelt: Digitale Bildung im Dreieck Schülerinnen-Eltern-Lehrkräfte. Initiative D21 e.V. Online http://www.initiatived21.de/portfolio/sonderstudie-schule-digital-2016/. abgerufen: 16.11.2016